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Was passiert
mit den Kirchen?

Acht Kirchen und Kapellen sind
von Garzweiler II betroffen

Natürlich sind nicht nur Wohn- bzw. Geschäftsgebäude von einer Umsiedlung betroffen, sondern auch Kirchengebäude. Im Abbaugebiet von Garzweiler II befanden sich acht Kirchen und Kapellen, welche unmittelbar von dem Tagebau betroffen sind. Im Grunde verhält es sich mit Kirchen genauso wie mit anderen Gebäuden im Abbaugebiet: RWE als Bergbautreibender erwirbt die Gebäude und Grundstücke und planiert diese zur Vorbereitung auf den heranrückenden Tagebau. Die Kirchen im Abbaugebiet haben als Landmarke, als Symbol des Widerstandes, als Zentrum des Dorflebens natürlich eine Besondere Bedeutung und insbesondere mit dem Abriss der imposanten Kirche von Immerath Anfang 2018 ist auch die mediale Aufmerksamkeit hoch, wenn es um den Abriss der Sakralbauten geht.

St. Simon und Judas Thaddäus
Der Grundstein der katholischen Kirche von Otzenrath wurde 1869 gelegt, der Abriss erfolgte im Frühjahr 2007.
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Evangelische Kirche
Otzenrath hatte eine katholische und eine evangelische Kirche. Diese wurde ebenfalls im Jahr 2007 abgerissen.
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Kapelle Holz
Die Kapelle des kleinen Ortes Holz wurde um 1837 erbaut und 2010 mit dem gesamten Dorf abgerissen.
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St. Martinus
St. Martinus Borschemich wurde 1906/07 erbaut und im Februar 2016 abgerissen.
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St. Lambertus
St. Lambertus Immerath ("Dom von Immerath") wurde 1891 geweiht und im Januar 2018 unter großem Medieninteresse abgerissen.
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Heilig Kreuz
Die katholische Kirche von Keyenberg wurde 1912/13 errichtet und wird wahrscheinlich ca. 2023 abgerissen.
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Herz-Jesu-Kirche
Die Kirche von Kuckum wurde 1890/91 erbaut und wird ca. 2025 abgerissen.
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St. Josef
Die kleine Kapelle von Berverath wurde 1909 erbaut wird ca. 2027 abgerissen.
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Der letzte Gottesdienst

Profanisierungs-Gottesdienst von St. Martinus Borschemich am 23. November 2014

Wenn eine Kirche aufgrund des herannahenden Tagebaus abgerissen werden muss, erfolgt im Rahmen eines Abschlussgottesdienstes die sogenannte Profanisierung. Angeordnet wird eine solche Entwidmung durch ein Dekret des Diözesanbischofs von Aachen, das im letzten Gottesdienst verlesen und damit wirksam wird. Die Kirche verliert ihre Funktion und ist somit wieder ein einfaches, weltliches Gebäude. Während des Abschiedsgottesdienstes wird das Allerheiligste aus der Kirche getragen und das Ewige Licht gelöscht. Die Reliquien werden aus dem Altar entnommen und üblicherweise mit einer Prozession aus der entwidmenten Kirche getragen und in die nächstgelegene Kirche verbracht.

Auszug aus dem Programmheft des letzten Gottesdienstes in St. Lambertus Immerath am 13. Oktober 2013

Auszug aus der Kirche St.Martinus Borschemich, nach dem Abschlussgottesdienst am 23. November 2014

Vorbereitung auf den Abriss

Gegen Ende der Umsiedlung, wenn nur noch wenige Bewohner in den alten Dörfern wohnen und schon die Mehrheit der übrigen Bebauung abgerissen worden ist, kommt das Ende der Kirchen. Bevor jedoch die Abrissbagger anrücken werden oftmals noch Teile der alten Kirche geborgen. Entweder um diese einzulagern oder in irgendeiner Form im neuen Ort zu präsentieren. Teile der Einrichtung wird auch an andere Gemeinden verkauft, wie etwa die Orgel von St. Martinus in Borschemich. In Otzenrath wurde die Mittelsäule der katholischen Kirche vorm Abriss bewahrt, in Borschemich wurden Glocken, Turmkreuz und die Zifferblätter der Turmuhr gerettet. In Immerath wurden ebenfalls die Glocken und die Turmspitzen abmontiert und kurzfristig, Tage vor dem Abriss, auch Teile der Kirchenfenster.

Katholische Kirche Otzenrath

Evangelische Kirche Otzenrath

Kirche Immerath

Kirche Borschemich

Hans Willi Schulte bricht die ersten Steine aus der alten Kirche St. Martinus in Borschemich, 23. November 2014

Hans-Willi Schulte

Hans-Willi Schulte ist Brudermeister der St. Martinus Schützenbruderschaft Borschemich. Er hat am Tag des letzten Gottesdienstes der Kirche von Borschemich die ersten Steine aus der Kirchenmauer gebrochen.

Können Sie mir kurz sagen, wer Sie sind und was Sie machen?

Mein Name ist Hans-Willi Schulte, ich bin Brudermeister der St.Martinus Schützenbruderschaft Borschemich von 1636.

Was ist eine Bruderschaft?

Eine Bruderschaft ist eine Gemeinschaft von Männern und auch Frauen hier in Borschemich, in St.Martinus nur Männer, die einem gemeinsamen Ziel der gemeinschaftlichen Unterstützung von Mitgliedern, von Hilfebedürftigen, sich zuwendet, die das Heimatgefüge pflegt, die für die Heimat zur Verfügung steht und insbesondere unsere Aufgabe sehen wir darin, eben die Aufgabe von St.Martinus, das wir die Gemeinschaft der Schützenbrüder in diesem Prozess beieinander halten, das wir alles Mögliche versuchen um ganz einfach für die Zukunft gewidmet zu sein, damit wir eine Gemeinschaft bleiben.

Und was haben Sie jetzt hier gerade gemacht?

Wir haben gerade Steine aus dem Mauerwerk herausgelöst, um sie heute bei der Eucharistiefeier, der letzten Eucharistiefeier, anlässlich der Entwidmung von dieser Kirche am Ende dieses Gottesdienstes zu verteilen, damit die Besucher eben ein Erinnerungsstück haben an ihre Heimat Pfarrkirche.

Wie geht es Ihnen damit, wenn sie jetzt hier aus ihrer Kirche Steine herausbrechen?

Naja, das ist ein sehr emotionales Geschehen. Das ist zwar im Moment ein handwerkliches Tun, aber den ersten Stein oder die Steine … sagen wir mal den Abbruch zu beginnen, die Endzeit zu beginnen, das ist schon sehr schmerzlich und wird dann heute Nachmittag gipfeln in dieser Entwidmungsfeier.

Was haben Sie persönlich für eine Verbindung hier mit dieser Kirche?

Diese Kirche begleitet mich seit 60 Jahren. Ich bin gebürtiger Borschemicher, eine Hausgeburt, bin also auf Borschemicher Boden geboren und hier aufgewachsen. Ich war Messdiener lange Jahre, bis zum 50ten Lebensjahr haben wir hier dann gemeinsam zu bestimmten Feierlichkeiten, insbesondere wenn die Schützenbruderschaft Messe hatte gedient. Ich bin hier getauft worden, ich bin gefirmt worden, ich habe hier meine Eltern zu Grabe getragen. Ein Leben lang als Borschemicher hier unterwegs gewesen.

Ist es für Sie vorstellbar, wenn dann die Kirche tatsächlich mal abgerissen werden wird, dass Sie sich das anschauen?

Ja, ja!

Ich habe mit vielen gesprochen, die sagen ‚Nein, das möchte ich nicht sehen‘.

Ich habe ganz bewusst als Brudermeister den Übergang vom alten Ort, von unserem alten Heimatort, zum neuen Ort mit begleitet und mitgestaltet. Das ist eine Aufgabenstellung, der wir uns angenommen haben und von daher denke ich auch ist zwar jetzt die Povernisierung dieser Kirche ein Stück auf dem Wege, aber das Ende, der Abbruch, wird dann eben ein Abschluss sein. Ich könnte mir schon vorstellen, dass ich mir das ansehe, genauso wie ich die Abbrucharbeiten an meinem Elternhaus in der Nachbarschaft und, und, und mir angesehen habe.

Ihr Elternhaus ist schon abgebrochen?

Ja, das ist im letzten Jahr schon abgebrochen worden.

Wie geht es einem dann da, wenn man da steht?

Wir setzen uns ja schon seit 30 Jahren mit diesem Thema Umsiedlung auseinander. Wir sind in den siebziger Jahren mit Pechfackeln um die Grenzen des vermeintlichen Tagebaus herumgezogen, haben dieses Gebiet gekennzeichnet. Wir haben in den verschiedensten Aktivitäten immer wieder auf die energiepolitischen Informationen, auf die Notwendigkeit bewusst hingewiesen, aber es ist die Erkenntnis gekommen, dass der Einzelne relativ wenig Macht hat du die Gemeinschaft auch relativ wenig Einfluss hat. Hier wird ganz klar, dass Gemeinwohl in den Vordergrund gestellt und um das einzuholen muss man eben dann weichen. Aber dieser Prozess, dass nicht alles auseinanderbricht, dass die Menschen beieinanderbleiben, die Gedanken eines Dorfes, der Gemeinschaft beieinanderbleiben, das ist eine Aufgabenstellung und ich denke der haben wir uns gewidmet und die werden wir dann auch bis zum Ende führen.

Jetzt ist Neu-Borschemich ja schon seit einiger Zeit da. Ist aber angegliedert an Erkelenz, also im Prinzip als Ortsunkundiger würde ich sagen es ist ein Neubaugebiet von Erkelenz. Schaffen Sie es, und wenn ja wie schaffen Sie es, dass dort diese Dorfgemeinschaft und dieses Dorfgefühl erhalten bleibt?

Wir haben ganz bewusst im Jahre 2011 zu Christi Himmelfahrt hier heimatliche Erde übertragen. Es kam die Idee, dass wir eben diesen Übergang auch versinnbildlichen müssen und so haben wir am Haus Paland, dort drüben in den Kirchenanlagen am St.Martinus und auf dem Friedhof Erde aufgenommen, drei Eimer, und haben zu Fuß bei einem Fußmarsch, diese Erde an unseren neuen Standort gebracht, zur Linde in Neu-Borschemich, haben sie dort dann ausgeschüttet und haben sie gesegnet und da sind rund 200 Leute mitgegangen, die diesen Weg von Alt nach Neu begleitet haben, mitgestaltet haben und bewusst erlebt haben. Das war dann schon auch so ein Startschuss für das Gesamte. Dann haben wir anschließend das Bezirksschützenfest in Neu-Borschemich veranstaltet, welches wir schon vor vielen Jahren beantragt hatten für das Jahr 2011, und das war dann auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Es wurden Gemeinschaftsarbeiten notwendig, wo die Leute einfach gefordert waren und auch zusammenrückten und sich einfach diesem Gemeinschaftsgedanken zuwandten. Von daher sind wir nicht unzufrieden. Die Erklärung, warum ist es ein dörflicher Charakter und nicht ein Wohngebiet, wenn sie heute in Neu-Borschemich hereinfahren, können sie anhalten am Haus links und fragen ‚Wer wohnt denn dort oben am Ende dieses vermeintlichen Baugebietes rechts?‘. Derjenige kann ihnen sagen welcher Name dort platziert ist, ob hinten rechts oder hinten links. Solange wie wir das behalten können, solange haben wir einen dörflichen Charakter und wenn das verloren geht, dann sind wir einfach nur Baugebiet.

Jetzt ist ja der nächste Umsiedlungsstandort von Keyenberg und den umliegenden Dörfern direkt hinter Neu-Borschemich …

Ja zwischen Borschemich und Rath-Anhoven …

Haben Sie da nicht Angst, dass das da im Prinzip verloren geht, dass da nur noch eine große …

Man wird sehen, was die Entwicklung bringt. Natürlich rückt man etwas näher beieinander, aber wir haben an verschiedenen Stellen auch schon versucht diese Gemeinschaft, diese Schicksalsgemeinschaft etwas in den Vordergrund zu schieben, etwas zu beleben. Als wir 2011 von Alt-Borschemich nach Neu-Borschemich gezogen sind, haben wir in Keyenberg, Kuckum und Venrath angehalten als Bruderschaftler und haben uns dort verabschiedet. Haben gesagt: ‚So wir sind jetzt mal weg!‘. Wir werden auch heute zum Beispiel am Ende dieser Eucharistiefeier, das Allerheiligste zu unserer Mutterkirche nach Keyenberg zurückbringen, wo es 1804 als hier die Sakramente hergekommen sind, als Borschemich Pfarrgemeinde wurde, dann von Keyenberg nach Borschemich übertragen wurden. So schließt sich der Kreis damals 1804, kam es von Keyenberg nach Borschemich und 2014 geht es erstmal von Borschemich nach Keyenberg zurück, ehe es dann im Jahre 2015 am dritten Mai in die neue Kapelle übertragen werden wird und wahrscheinlich auch wieder mit der Bruderschaft in einer Fußprozession, in einem Fußmarsch.

Vielen Dank.

Abriss der Kirche

Meistens sind die Kirchen bereits vor dem letzten Gottesdienst in den Besitz von RWE übergegangen. Solange es keinen Ersatz am neuen Ort wird das alte Kirchengebäude aber noch genutzt. Ist nun aber der letzte Gottesdienst gefeiert und alle Vorbereitungen sind getroffen wird das Kirchengebäude abgerissen. Bis einschließlich des Abrisses der Kirche von Borschemich 2016 wurde über die Kirchenabrisse im Gebiet von Garzweiler II nur regional berichtet und auch vor Ort waren nur wenige Interessierte zugegen. Dies hat sich schlagartig mit dem Abriss der Kirche von Immerath geändert. Dies mag einerseits an der Größe und Pracht dieser Kirche gelegen haben, aber sicher auch an der veränderten öffentlichen Wahrnehmung. Dutzende Kamerateams, hunderte Schaulustige und ein Großaufgebot der Polizei begleiteten den Abriss der Kirche im Januar 2018.

Archäologische Ausgrabungen

Ist die Kirche abgerissen und der Schutt beiseite geräumt kommen die Archäologen. Für diese bietet sich die Chance, Ausgrabungen an Stellen durchzuführen, welche vorher nicht erreichbar waren. RWE ist dazu verpflichtet, diese Grabungen im Vorfeld der Abbaggerung zu ermöglichen und zu unterstützen. Das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland hat nur für die Tagebaue Hambach, Inden und Garzweiler eine eigene Außenstelle in Titz eingerichtet. Nachdem die Grabungen abgeschlossen sind ist das Gebiet freigegeben und wird abgebaggert.

Die neuen Gotteshäuser

Die Kirchen werden genauso wie Privatleute von RWE entschädigt. Ein Gutachter bewertet die Gebäude und Grundstücke und auf Basis dessen kommt es zu Verhandlungen an deren Ende die Kirchen an den Bergbautreibenden verkaufen (zu Zwangsenteignungen kam es bei den Kirchen bisher nie). Wie die Kirchen das Geld nun nutzen. bleibt Ihnen überlassen. Oftmals nutzen die Kirchen die Umsiedlung dazu, Ihre Kirchengebäude zu verkleinern, beziehungsweise Kirchen zu Kapellen herabzustufen.
Otzenrath (neu)
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